Europa im 3. Jahrtausend. Ein geheimnisvolles Bakterium hat Gehirne und Seelen der Menschen zerfressen. Alle Uhren des Kontintents gehen unweigerlich richtig, und die Menschen laufen leer im Hamsterrad des alltäglichen Getriebes. In ganz Europa? Nein. In einer kleinen Bar ereignen sich seltsame Dinge. Frauen ergehen sich in bacchantischen Tänzen und Männer ergeben sich dem Müßiggang. Abyssus abyssum invocat. Rauschhaft und voller Musik sei der Untergang des Abendlandes. Ist es ein Anfang? Ist es ein Ende? Come and see Dr. Syrianx.
Das Ensemble der Cosmos Factory hat mit seinem neuen Theaterstück in die Vollen gegriffen, mitten hinein in den schillernden Superlativ. Nichts Geringeres als der Untergang des Abendlandes, die größte anzunehmende Niederlage westlicher Kultur, ist ihr Thema. (...) Stark wird das Ensemble immer dann, wenn es durch die kühle Wortakrobatik und verspielte Sinnsuche einen Hauch teifer sentimentalität ziehen lässt. Trotz aller Verkommenheit der westlichen Kultur blitzt dann die Sehnsucht auf nach dem Verlorenen, nach einem Schuss franzäsoscher Lebensart, einer Prise britischer Korrektheit und dem ausgeträumten amerikanischen Traum. Diese Trauer drückt sich wunderbar aus, wenn Anja Steyer im stärksten Teil des Stücks einen Amerikaner anhimmelt - nicht weil er ein Mann ist, sondern weil er mit Marlboro-Slang und breitem Augurenlächeln die Freiheit, den Rausch des Westens verkörpert. Eine Illusion, klar. Aber eine, der man am Ende aller Tage auch einmal hemmungslos und ungestraft verfallen darf. Die Eurokokke holt einen früh genug.Nordsee-Zeitung, 31. August 2002
Morbus Okzidentalis. Im 3. Jahrtausend in Europa verbreitete Seuche, auch genannt ,Krankheit der Leere und des Identitätsverlustes‘. Im fortgeschrittenen Stadium werden Körper, Seele und Geist zerfressen. Symptome: medusenhaftes Haar, schmerzgerötete Augen. Verbreitet wird die Krankheit durch Eurokokken. Als Abwehrmittel ist nur Amerikoon bekannt, was oftmals in seiner Wirkung überschätzt wird. Bereits im Jahr 1927 erfand Autor Yvan Goll den mysteriösen Erreger und beschrieb in seinem Buch „Die Eurokokke“, wie die Menschheit auf das Ende ihrer Zivilisation zurast. Eine niemals welkende Theorie, die sich Ute Falkenstein und Oliver Peuker als Vorlage für ihre Inszenierung SWEET BABYLON nahmen - ein Stück, das erschreckt und ansatzweise panisch macht. (...) Das Stück funktioniert, was nicht zuletzt an der Überzeugungskraft der Schauspieler liegt. Texte driften in unergründliche Terrains ab, das Geheimnis ihrer Botschaft ist manchmal kaum zu entschlüsseln. Doch solch Surreales schlüpft auf eine Art und Weise aus den Schauspielermündern, dass schon Melodie und Klang Genuß sind. (...) „Alles voller Kokken!“, schreit Henry (Oliver Peuker) später. „Sie haben sich in den Gehirnspalten inkrustiert.“. Dann verlischt das Licht. Unheimlich, so allein gelassen zu werden. Jetzt muss man sich nämlich eingestehen, dass man vielleicht später, zuhause, noch mal den Fernseher anknipsen wird, um sich eine richtig schlechte Soap reinzuziehen.taz, 30. November 2002
„Die vier sind cool, tragen Sonnenbrillen sowie Szeneklamotten - und warten auf den Untergang des Abendlandes. (...) So interviewt Lu als Linda de Mol - Verschnitt plötzlich mit holländischem Gouda-Akzent einen selbstgefälligen US-Cowboy, ehedem Li, möchte wissen, warum diese Mixtur aus John Wayne und George W. Bush die gute, alte Miss Europe, nunmehr Mrs. Bull, entführt hat. „Entführt? Ich habe sie verführt.“, antwortet der Westernheld mit einem verächtlichen Lächeln. Aber was soll‘s, die Alte „weiß nicht einmalmehr, wer und wo sie ist“ - da bleibt einem der Hamburger im Halse stecken. Steht es wirklich so schlimm um den alten Kontinent? Zumal die Amis nicht an allem schuld sind, gibt es doch auch hausgemachten Schwachsinn. So intonieren die vier mehrstimmig „Die Kuh macht Muh, und ich hör ihr zu“. Sehr frei nach dem fröhlichen „Medium-Terzett“, Carolin Reiber wäre ergriffen gewesen. Den Protagonisten wird nun auch klar, dass sie keine Chancen haben. Doch wenn schon untergehen, dann wenigstens freiwillig: „Machen wir es wie die Lemminge“, sagt Lu. Glotze an, „Volkstümliche Hitparade“ schauen, verblöden. Die Eurokokken gibt es nicht nur auf der Bühne, sie sind real.“Weserkurier, 30 November 2002